Brand Safety und Brand Suitability: So bleiben Marken relevant und geschützt
- Aphrodite Rantou
- vor 2 Tagen
- 7 Min. Lesezeit

Die digitale Werbelandschaft steht heute vor Herausforderungen, die vor wenigen Jahren kaum vorstellbar waren. Brand Safety ist längst kein Randthema mehr, sondern zur zentralen Disziplin geworden, die maßgeblich über den Erfolg von Kampagnen entscheidet.
Wer im digitalen Marketing langfristig bestehen will, muss Markenschutz strategisch planen und aktiv steuern – unabhängig von Unternehmensgröße oder Branche.
Inhaltsverzeichnis:
Die neue Realität: Von reaktivem Schutz zu proaktiver Markenführung
Das Zeitalter der bloßen Schadensbegrenzung ist vorbei. Brand Safety bedeutet heute mehr, als Brand Ads vor problematischen Inhalten wie Hate Speech oder Extremismus zu schützen. Entscheidend ist, gezielt die passenden Umfelder für die eigene Marke auszuwählen – und damit nicht nur Risiken zu minimieren, sondern echten Mehrwert zu schaffen. Brand Suitability geht einen Schritt weiter: Sie ermöglicht es, Werbeplatzierungen nicht nur als sicher, sondern als strategisch relevant für die individuelle Markenidentität zu bewerten.

Was für ein veganes Lebensmittelunternehmen ein absolutes Ausschlusskriterium ist (z. B. die Platzierung von Ads in Artikeln über Steakrestaurants), ist für eine Naturkosmetikmarke zwar auch nicht relevant, aber zumindest kein Risiko. Umgekehrt kann ein Gaming-Stream für eine Kindermarke ungeeignet sein, für einen Energy-Drink-Anbieter aber die ideale Platzierung darstellen. Genau diese Betrachtungsweise macht heute den Unterschied zwischen sicher und wirklich passend und entscheidet darüber, wie glaubwürdig und wirksam Markenbotschaften tatsächlich ankommen.
Aktuelle Studien zeigen: Über 68 % der Verbraucher verlieren dauerhaft das Vertrauen in eine Marke, wenn deren Anzeige neben anstößigen Inhalten erscheint. Damit ist Brand Safety längst vom "Nice-to-have" zum messbaren Geschäftsfaktor geworden. Wer in markensicheren Umfeldern wirbt, profitiert von einer höheren Zielgruppenqualität, besserer Markenwahrnehmung und einem spürbaren Brand Lift.
Die Herausforderungen im SEA und programmatischen Display
Google Display Network: Kontrolle in der Unüberschaubarkeit
Das Google Display Network (GDN) erreicht über 90% der Internetnutzer weltweit und spielt Anzeigen auf Millionen von Websites aus. Diese enorme Reichweite birgt jedoch erhebliche Risiken. Ohne proaktive Brand-Safety-Maßnahmen können Anzeigen auf Fake-News-Websites, extremistischen Plattformen oder neben sensiblen Themen wie Naturkatastrophen erscheinen.
Google hat 2025 bedeutende Aktualisierungen vorgenommen:
Einheitliche Kontrollstrukturen auf Advertiser-Ebene für alle Inventory-Typen
Verbesserte thematische Ausschlüsse und verfeinerte Content-Kategorisierung
Erweiterte Reporting-Tools mit Content-Adjacency-Reporting und Impact-Prognosen
Detailliertes Site-Level-Reporting für das Search Partner Network
Affiliate Marketing: Die unterschätzte Brand-Safety-Herausforderung
Aktuelle Marktdaten und Risikofaktoren
Die Affiliate-Marketing-Industrie wächst weiter: 2025 liegt ihr Wert bereits bei 17 Milliarden Dollar, bis 2031 wird ein Volumen von 31 Milliarden Dollar erwartet. Die dezentrale Struktur bedeutet allerdings, dass Marken oft nur begrenzte Kontrolle darüber haben, wo und wie ihre Partner werben.
Kritische Risikofaktoren:
Regulatory Non-Compliance: Affiliates, die Offenlegungspflichten missachten, können rechtliche Konsequenzen für die Hauptmarke auslösen.
Qualitätsverlust: Unseriöse Affiliate-Praktiken wie Spam oder Black Hat SEO schaden dem Markenimage langfristig.
Transparenzmangel: Fehlende Einsicht in die Traffic-Quellen der Affiliates erschwert die Qualitätskontrolle.
“Plenty of brands have earned a reputation for being all marketing and no substance when it became clear that they prioritized a quick sale over integrity of the product or the message.” – Emily Hund, Autorin
Best Practices für Affiliate Brand Safety
Erfolgreiche Unternehmen setzen auf mehrstufige Kontrollsysteme:
Stringente Partner-Screening-Prozesse mit regelmäßigen Compliance-Audits
Klare Brand Guidelines mit definierten Werbeumgebungen und -methoden
Technische Monitoring Tools zur Überwachung von Affiliate-Aktivitäten
Vertragliche Brand-Safety-Klauseln mit messbaren KPIs und Sanktionsmechanismen
Das GARM-Framework: Industriestandards als Grundlage

Die Global Alliance for Responsible Media Standards
Das GARM Brand Safety Floor + Suitability Framework hat die Industriestandards neu definiert. Es legt elf Kernkategorien schädlicher Inhalte fest, darunter:
Adult & Explicit Sexual Content: Verkauf, Vertrieb und Konsum von Kinderpornografie; Explizite oder übermäßige Darstellung sexueller Handlungen
Arms & Ammunition: Förderung und Befürwortung des Verkaufs von illegalen Waffen, Gewehre und Handfeuerwaffen
Crime & Harmful Acts: Grafische Förderung, Befürwortung und Darstellung von vorsätzlichem Schaden und tatsächlich rechtswidriger krimineller Aktivität
Death, Injury or Military Conflict: Förderung, Anstiftung oder Befürwortung von Gewalt, Tod oder Verletzung
Online Piracy: Piraterie, Urheberrechtsverletzung und Fälschung
Hate Speech & Acts of Aggression: Verhalten oder Inhalte, die Hass schüren, Gewalt fördern oder Menschen erniedrigen
Obscenity and Profanity: Exzessiver Gebrauch von profaner Sprache oder Gestik und andere abstoßende Handlungen
Illegal Drugs/Tobacco/E-Cigarettes/Vaping/Alcohol: Förderung oder Verkauf des (illegalen) Drogenkonsums
Spam or Harmful Content: Insbesondere Malware/Phishing
Terrorism: Förderung und Befürwortung von terroristischen Aktivitäten
Debated Sensitive Social Issue: Unsensible, unverantwortliche und schädliche Behandlung umstrittener sozialer Fragen
Misinformation: Nachweislich falsche oder vorsätzlich irreführende Inhalte
Zusätzlich gibt es ein dreistufiges Risikosystem (High Risk, Medium Risk, Low Risk) für Brand-Suitability-Entscheidungen.
Technologische Lösungsansätze: Vom Keyword Blocking zur KI-gestützten Kontexterkennung

Die Grenzen traditioneller Methoden
Keyword Blocking und Domain Blacklists waren lange Standard, stoßen aber an klare Grenzen:
Überblockierung: Zu aggressive Keyword-Filter können bis zu 57% qualitativ hochwertiger, markenrelevanter Inhalte blockieren.
Kontextblindheit: Begriffe wie „Angriff“ sind je nach Kontext (Sport, Gesundheit, Sicherheit) völlig unterschiedlich zu bewerten.
Skalierungsprobleme: Bei Millionen von Websites ist manuelles Monitoring unmöglich.
KI-gestützte Contextual Intelligence
Made-for-Advertising (MFA) Websites stellen eine wachsende Bedrohung für Werbetreibende dar. Laut aktueller Daten von Pixalate gingen im Q2 2025 rund 716 Millionen Dollar – etwa 10% der globalen programmatischen Web-Werbeausgaben – an MFA-Domains. Der Anteil von MFA-Websites mit programmatischen Anzeigen stieg von 4% im März auf 6% im Q2 2025.
Gleichzeitig bieten moderne KI-Lösungen auch die Antwort: Contextual Intelligence-Systeme können mittlerweile fünfmal mehr unsichere Inhalte erkennen als klassische Keyword-Blockierungen. Sie verstehen nicht nur einzelne Wörter, sondern analysieren den gesamten Kontext, die Stimmung und die Intention von Inhalten.
Ein konkretes Beispiel zeigt die Überlegenheit moderner Systeme: Bei einer aktuellen Analyse zu den Bränden in Los Angeles identifizierten Keyword-Blacklists 1.500 unsichere URLs, während ContextGPT 7.500 URLs fand – 5x mehr.
Messung und KPIs: Brand Safety als Performance-Indikator

Erfolgreiche Marketingteams entwickeln Brand-Safety-KPI-Frameworks, die sowohl präventive als auch performance-orientierte Metriken umfassen:
Präventive Metriken:
Brand Safety Incident Rate: Fehlplatzierungen pro 10.000 Impressionen
Content Category Distribution: Platzierungsverteilung nach GARM-Kategorien
Realtime Block Rate: Anteil in Echtzeit blockierter problematischer Platzierungen
Performance-orientierte Metriken:
Brand Lift in sicheren vs. unsicheren Umgebungen
Engagement Quality Score nach Content-Umfeld
Brand Safety ROI (Verhältnis Investition zu vermiedenen Reputationsschäden)
Supply Chain Transparency: Die Grundlage für Brand Safety Excellence

Die ANA-Erkenntnisse zur Programmatic Transparency
Laut ANA-Studie Q1 2025 erreichen 41% der programmatischen Werbebudgets Impressionen, die grundlegende Qualitätsstandards erfüllen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 36% in 2023. Das Optimierungspotenzial bleibt hoch, weltweit geht es um 21,6 Milliarden Dollar.
Ein positiver Trend: Ad Spend auf MFA-Website-Inventar fiel von 15% (2023) auf nur noch 0,4% – ein klares Zeichen für verbesserte Qualität.
Kritische Supply-Chain-Komponenten:
ads.txt und sellers.json: Verifizierung autorisierter Verkäufer
Das bedeutet: Websites und Werbeplattformen erstellen öffentliche Listen ihrer autorisierten Verkaufspartner, sodass Werbetreibende prüfen können, ob ein Angebot von einem legitimen, befugten Verkäufer stammt.
SupplyChain-Objekte: Vollständige Transaktionsnachverfolgung
Das bedeutet: Jede Werbetransaktion wird mit einem digitalen "Lieferschein" versehen, der alle beteiligten Zwischenhändler und deren Provisionen dokumentiert, wodurch der komplette Geldfluss nachvollziehbar wird.
Log-Level-Data (LLD): Impression-genaue Transparenz für bessere Entscheidungen
Das bedeutet: Für jede einzelne geschaltete Anzeige werden detaillierte Daten erfasst – wann, wo, ob sie sichtbar war und ob ein echter Nutzer sie gesehen hat – was eine präzise Leistungsmessung und Betrugsaufdeckung ermöglicht.
Ad Fraud Detection: Gegen die wachsende Bedrohung

Aktuelle Bedrohungslage 2025
Die weltweiten Verluste durch Werbebetrug werden 2025 voraussichtlich 41,4 Milliarden Dollar erreichen – bei einem Bot-Anteil von 47% am gesamten Internetverkehr.
Ein prominentes Beispiel für systematischen Affiliate-Betrug liefert der Honey-Skandal von 2024-2025. Die beliebte Browser-Extension (im Besitz von PayPal) stand unter Beschuss, weil sie systematisch von Content Creators Affiliate-Provisionen gestohlen haben soll.
Das betrügerische System funktionierte folgendermaßen: Nutzer klicken auf Affiliate-Links von YouTubern oder Bloggern, gehen zum Checkout, woraufhin Honey automatisch mit einem "Coupon-Such-Pop-up" erscheint. Klickt der Nutzer auf den Honey-Button, ersetzt die Extension heimlich den Creator-Cookie durch ihren eigenen – selbst wenn keine Coupons gefunden werden. In einem dokumentierten Extremfall stahl Honey eine 35,60$ Provision und gab dem Nutzer nur 0,89$ "Honey Gold" Cashback zurück.
Dieser Fall verdeutlicht die Raffinesse moderner Betrugsmethoden: 17 Millionen aktive Nutzer werden unwissentlich als Werkzeug für systematischen Provisionsbetrug missbraucht, während das System durch Last-Click-Attribution-Manipulation legal erscheint. Seit Januar 2025 sind mehrere Sammelklagen gegen PayPal anhängig, die Millionenschäden für Content Creators geltend machen.
Der Skandal unterstreicht die Notwendigkeit fortschrittlicher Cookie-Monitoring-Systeme, transparenter Attribution-Ketten und smarten Brand-Safety-Lösungen um solche systematischen Betrugsmuster frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
Zukunftstrends: Die nächste Evolution der Brand Safety
Moderne KI-gestützte Brand-Safety-Lösungen:
analysieren Tone, Sentiment, Emotion, Visual Context und Audience Response
verstehen multimodale Inhalte durch Natural Language Processing, Computer Vision und Machine Learning
bieten semantisches Verständnis statt oberflächlicher Filterung
passen sich dynamisch in weniger als 15 Minuten an neue Bedrohungen an
Die Zukunft gehört dem Ansatz des Contextual Alignment – einer holistischen Strategie, die Brand Safety und Suitability vereint. Dazu gehören:
Page-Level-Analyse statt pauschaler Website-Bewertung
Real-time Sentiment-Analyse für dynamische Platzierungen
Privacy First Targeting ohne Third Party Cookies
Emotionale Kontext-Erkennung für optimales Brand Content Alignment
Strategische Handlungsempfehlungen

Aufbau einer integrierten Brand-Safety-Strategie
1. Technologie-Stack-Optimierung
Integration von KI-basierten Contextual-Intelligence-Systemen
Realtime-Monitoring und -Alerting
Cross Channel Visibility für ganzheitliche Kontrolle
2. Organizational Excellence
Aufbau eines Brand Safety Centers of Excellence
Klare Verantwortlichkeiten und Eskalationspfade
Regelmäßige Schulungen zu aktuellen Brand-Safety-Standards
3. Vendor Management und Partnerships
Auswahl von Technologie-Partnern mit GARM-Compliance
Verhandlung von Brand-Safety-KPIs für alle Vendor-Verträge
Aufbau direkter Beziehungen zu Premium-Publishern
4. Messung und Optimierung
Entwicklung von Brand-Safety-spezifischen ROI-Metriken
Kontinuierliches A/B-Testing für Safety-Settings
Benchmarking mit Branchenstandards
Investment-Prioritäten für 2025
Wer seine Brand-Safety-Strategie zukunftsfähig aufstellen will, sollte gezielt in Technologien und Tools investieren, die nicht nur Schutz bieten, sondern echte Transparenz und Effizienz ermöglichen. Besonders im Fokus stehen dabei:
KI-gestützte Contextual Intelligence Plattformen
Supply Chain Transparency-Tools
Cross-Channel Brand Safety-Monitoring
Fortgeschrittene Analysen & Predictive Intelligence
Fazit: Brand Safety als strategischer Wettbewerbsvorteil
Die Entwicklung von Brand Safety zu Brand Suitability markiert einen echten Paradigmenwechsel im digitalen Marketing. Die Investition in fortschrittliche Schutztechnologien und Prozesse ist heute unverzichtbar – sie wird zur geschäftskritischen Infrastruktur. Wer Brand Safety nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Werttreiber versteht, schützt nicht nur die eigene Marke, sondern legt das Fundament für nachhaltiges Wachstum und Relevanz im digitalen Zeitalter.